04 Juli 2007

Knapp

Die Entscheidung war denkbar knapp, aber jetzt haben wir es amtlich: Das Bundesverfassungsgericht befindet das Gesetz, das Abgeordnete zur Offenlegung ihrer Nebeneinkünfte zwingt, für verfassungsgemäß.

Ich halte die Argumente der Gegner dieses Gesetzes für aufschlussreich. Der frühere Unions-Fraktionschef Merz

kritisierte, die Regelung werde viele Abgeordnete ins lebensferne Berufspolitikertum treiben: "Die Zahl der nicht mehr in einen bürgerlichen Beruf resozialisierbaren Abgeordneten nimmt zu."

zit. n. Spiegel online

Es gibt kein Gesetz, das irgendeinen Verzicht auf irgendwelche Einkünfte vorschreibt. Nur die Offenlegung ist gefordert - und außerdem soll die Abgeordnetentätigkeit im Mittelpunkt stehen. Herr Merz scheint zu ahnen: Wenn die Einkünfte bekannt werden, dürfte sich Unmut in der Öffentlichkeit regen, und diesem öffentlichen Druck müssten die Politiker dann nachgeben. Etwas klarer ausgedrückt: Merz weiß offenbar jetzt schon, dass er sich mit einer Offenlegung seiner Nebeneinkünfte bei vielen Wählern unbeliebt machen würde. Wenn seine Einkünfte so hoch sind, wie diese Äußerung vermuten lässt, dann hat er womöglich nur einen einzigen Nebenberuf: den des Abgeordneten.

Weiter heißt es im Spiegel-Artikel:

Das zentrale Argument der Kläger ist: Das Gesetz gefährde die vielfältige Zusammensetzung des Bundestags, weil künftig weniger Unternehmer und Freiberufler kandidieren würden. "Selbstständige wie wir werden durch das Gesetz an den Pranger gestellt", sagt Rechtsanwalt Otto zu SPIEGEL ONLINE. Wer sein Gehalt offenlegen muss, hätte als Unternehmer gegenüber Konkurrenten Wettbewerbsnachteile. Außerdem stört ihn: "Hier wird ganz klar ein Neidkomplex bedient."

Ich glaube nicht, dass großer Neid einsetzt, wenn herauskommen sollte, dass Herr Otto neben seinen Einkünften als Abgeordneter noch einmal die gleiche Summe aus anderen Tätigkeiten erhält. Falls das "Nebeneinkommen" allerdings ein Vielfaches der Politikerbezüge betragen sollte, muss meiner Ansicht nach gefragt werden, ob der Betreffende tatsächlich die Interessen des Volkes oder vielleicht doch in erster Linie nur seine eigenen vertritt. Das hat immer noch nichts mit Neid zu tun, sondern dies ist eine Frage, die sich jeder Abgeordnete gefallen lassen muss. Misstrauen gegenüber Politikern, die Heimlichkeiten gegenüber ihren Arbeitgebern (das sind wir alle) haben, ist durchaus berechtigt.

In der Tat kann man dem Spiegel entnehmen, dass die betreffenden Politiker genau damit ein Problem haben:

Kläger Otto sagt: "Das Grundgesetz verbietet dem Gesetzgeber vorzuschreiben, wie viel Zeit ein Parlamentarier für sein Mandat zu verwenden hat."

Ganz recht. Kläger Otto ist offenbar jetzt schon klar, dass eine Offenlegung seiner Tätigkeiten bei seinen Wählern auf Kritik stoßen könnte.

Nebenbei bemerkt: In anderen Ländern sind die Regelungen erheblich schärfer. In Schweden ist es sogar möglich, die gesamten Einkünfte eines jeden Bürgers nachzuschlagen.

In gewisser Weise bin ich den Klägern, allen voran Friedrich Merz, sogar dankbar.

Ihre Argumente grenzen an Selbstbezichtigung, und das finde ich erhellend.

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