09 September 2020

Mit Maaßen nach rechts

Der ehemalige Verfassungsschutzchef Heinz-Georg Maaßen bezieht sich auf Twitter auf eine Analyse der Innenministerkonferenz vom 22.07.2020 zum Linksextremismus und spricht von einer neuen Gefahr des Linksterrorismus.

Der aktuelle VS-Bericht, veröffentlicht am 09.07.2020, beschreibt tatsächlich eine Zunahme linksextremer Straftaten und Gewalttaten.

Das ist aber nur die Hälfte der Wahrheit.

Derselbe Bericht nennt 781 Körperverletzungen durch rechtsextreme und 355 Körperverletzungen durch linksextreme Täter. Zählt man die sogenannten Propagandadelikte dazu, die im VS-Bericht erwähnt werden, muss man ein Vielfaches an rechtsextremen gegenüber linksextremen Straftaten zur Kenntnis nehmen.

Maaßen zeigt sich nicht zum ersten Mal auf dem rechten Auge blind - hier sogar gegenüber den Veröffentlichungen der Behörde, deren Chef er eine Zeitlang war.

Das ist - leider - noch lange nicht alles.

Laut BKA steigt die Zahl rechtsextremer Gefährder seit Jahren an, BKA-Chef Münch rechnet wenig überraschend mit einem weiteren Anstieg. Seit Beginn der Erfassung 2012 hat sich die Zahl der rechtsextremen Gefährder verfünffacht.
- Die Welt, 19.06.2020

Zu dieser Meldung finde ich keine Äußerung von Maaßen. Auch zu der folgenden Meldung hat er sich meines Wissens nicht geäußert:

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens Ressortchef Georg Maier (SPD), sieht in Deutschland eine beispiellose Gefahr durch den Rechtsextremismus.
- FAZ, aktualisiert am 09.07.2020

Die Parteipolitik spielt hier keine Rolle, denn Maier spricht da als Vorsitzender genau jener Innenministerkonferenz, auf die Maaßen sich selbst bezieht. Offensichtlich haben die Innenminister vor Gefahren von links und rechts gewarnt, und Maaßen hat sich herausgesucht, was ihm in seine eigene politische Agenda passte.

Am 07.09.2020 meinte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen laut FAZ bei der Vorstellung des VS-Berichts, der Rechtsextremismus habe einen "historischen Höchststand" erreicht.

Auch dazu habe ich bei Maaßen nichts gelesen; er zieht lieber die etwas ältere Analyse zum Linksextremismus heran und schweigt zu den Gefahren des Rechtsextremismus.

In einer am 31.07.2020 aktualisierten Meldung, also ebenfalls nach der Analyse, auf die Maaßen sich bezieht, berichtete die Frankfurter Rundschau:

(...) bekräftigte Seehofer, dass Rechtsextremismus die "größte Bedrohung der Sicherheit" in Deutschland sei und diese Gefahr auch noch gestiegen sei.

Man muss hier schon besorgt sein, denn Maaßen war Präsident des Verfassungsschutzes. Die Frage ist, ob er diese einseitige Wahrnehmung der Realität erst nach seinem Ausscheiden entwickelt hat, oder ob er auch schon während seiner Dienstzeit derart unausgewogen geurteilt und gehandelt hat.

Es ist denkbar, dass Maaßen all das nicht liest und wahrnimmt, weil er anderswo stark beschäftigt ist. Wenn man sieht, wie oft er dem sehr weit rechts stehenden Blatt "Junge Freiheit" zur Verfügung steht, könnte man fast meinen, er gehörte dort zum festen Inventar. Beruhigend ist das nicht.

Nachtrag: Bei netzpolitik.org gibt es eine ganze Reihe von Beiträgen zu Maaßen und seinen Verbindungen nach rechtsaußen.