22 August 2008

Ein schöner Verein

Der Limburger Bischof Tebartz-van Elst setzte den Wetzlarer Bezirksdekan Peter Kollas ab, weil dieser ein gleichgeschlechtliches Paar gesegnet hatte.

Wenn man die Kirche als privaten Verein sieht, der von seinen Mitgliedern bestimmte Verhaltensweisen verlangt, die man mit dem Beitritt billigt und zu befolgen verspricht, dann ist so etwas möglich. Wer die Regeln nicht befolgen mag, kann den Verein ja verlassen und hat die Freiheit, einen eigenen Verein mit anderen Regeln zu gründen.

Nun ist die Amtskirche aber kein privater Verein, sondern sie versteht sich als moralische Instanz, die sich ausdrücklich auch das Recht herausnimmt, in die Gesellschaft hineinzuwirken - man denke nur an Religionsunterricht, Kliniken, Kindergärten und die Rundfunkräte. An dieser Stelle muss es sich die Kirche gefallen lassen, dass die Gesellschaft im gleichen Maße auf die Kirche zurückwirken will und beispielsweise nach Verfassungstreue, nach Diskriminierung von Frauen und Minderheiten oder auch nach Tarifverträgen fragt.

Leider traut sich kein Politiker, diese grundsätzliche Problematik so klar anzusprechen, und so ist die katholische Kirche, um die es hier geht, in der komfortablen Lage, das eine tun zu können, ohne das andere lassen zu müssen.

An diese Verwerfung demokratischer Spielregeln sollten wir denken, wenn wir über Gottesstaaten und Terrorismus reden. Eine blutige Geschichte hat die katholische Kirche schließlich auch, und solange es keine unmissverständliche Verurteilung der Verbrechen an unschuldigen Opfern gibt, die dran glauben mussten, weil sie nicht dran glauben wollten, muss man wohl davon ausgehen, dass an höchster Stelle heute noch stillschweigende Billigung findet, was beispielsweise vor einigen Jahrhunderten in Südamerika geschah.

Geradezu peinlich wird es, wenn man die Argumente der Kirchenvertreter im oben angesprochenen Fall betrachtet:

Die bloße Veranlagung zur Homosexualität ist indes noch keine Sünde. Homosexuelle Handlungen sind "in sich nicht in Ordnung", weil aus einer solchen Beziehung keine Kinder entstehen können. Sie verstoßen damit nach katholischer Auffassung gegen das "natürliche Gesetz". Im Katechismus heißt es deshalb: "Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit aufgerufen." (faz.net, 22. August 2008)

Nun gibt es zahlreiche Ehepaare, die aus biologischen Gründen keine Kinder bekommen können. Auch denen müssten, wenn man diese Regel konsequent anwendet, sexuelle Handlungen verboten sein, da sie ja zwangsläufig nicht auf die Fortpflanzung zielen können. Wie man sieht, verzichtet die katholische Kirche gelegentlich durchaus darauf, ihre Regelungen allzu konsequent anzuwenden. Modern ausgedrückt, könnte man die Verantwortlichen als opportunistische Heuchler bezeichnen. Früher hießen sie Pharisäer - also genau die Leute, gegen die der Religionsstifter Jesus vorging.

Die Regel, Lust und Liebe seien als Motiv für sexuelle Handlungen nicht statthaft, ist ein klassisches Beispiel für den uralten Unfug, den die katholische Kirche, wie oben schon angedeutet, heute noch in die Gesellschaft hineinträgt. Weiter heißt es bei faz.net:

"Es gibt keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinne", schreibt die Kongregation für die Glaubenslehre im Jahr 2003.

Doch, das gibt es. Dieses Fundament ist genau das, was der erwähnte Religionsstifter gepredigt hat: bedingungslose Liebe und Toleranz ohne Ansehen der Person. Offenbar nimmt sich die katholische Amtskirche gelegentlich selbst wichtiger als den Glauben, den zu vertreten sie vorgibt. Auch das ist freilich nichts Neues.